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Hygiene im Öffentlichen Raum – Eine Reise von der Theke bis in die Käranlage

Nachrichten zum Thema „Hygiene“ sind zu 90 % Horrormeldungen. Bakterien, soweit das Auge reicht. Egal ob im Krankenhaus, auf der heimischen Klobrille oder dem Frühstücksbrettchen, das Böse ist immer und überall – ein Wunder, dass wir bisher überlebt ha-ben. Meist geht es um die immer wie-der gleichen Themen, oft ähneln sich die „Fakten“ der verschiedenen Seiten und Autoren verblüffend. Als ich vor einiger Zeit den Bericht über „den unhygienischsten Ort überhaupt“ im Radio hörte, beschloss ich, dem einmal nachzugehen.

Laut Radiomoderator hatten Wissenschaftler brandaktuell herausgefunden, dass besagter „unhygienischster Ort überhaupt“ die Damenhandtasche sei. Bei einer daraufhin durchgeführten Internetrecherche stieß ich auf den Artikel einer Boulevard-Zeitung. Dort war nachzulesen, dass Handtaschen „verseucht“ sind und ein Gesundheitsrisiko für Menschen darstellen können. Das hatte man von der Daily Mail abgeschrieben. Allerdings nicht im Herbst 2018, als ich die Radio-Meldung hörte, sondern schon 2013. Dazwischen gab es unzählige weitere Veröffentlichungen identischen Inhalts, die man auf ­diversen­ Internetseiten­ findet­ und­ die ­sicher auch in zahllosen Printmedien regelmäßig auftauchen. Leider war nirgendwo beschrieben, ob man die Taschen essen oder zur Wundabdeckung verwenden muss, damit es gefährlich wird.

Auf meiner Homepage habe ich einen Blog zu Hygienethemen. Es geht um Ebola, Sepsis, Ausbrüche, Impfungen, alkoholtolerante Bakterien und vieles mehr. Und was meinen Sie, wurde ­am ­häufigsten­ angeklickt?­ Ein­ Artikel über Bakterien im öffentlichen Personenverkehr. Also denn, lassen Sie uns die Risiken und die dazu gehörigen Bewältigungsstrategien einmal näher ansehen.

Unsere Reise beginnt in der Metro in Hongkong. Wie eine gemeinsame Stu-die des Leibnitz-Instituts für Naturstoff- Forschung und Infektionsbiologie – Hans Knöll-Institut mit der Universität Hongkong ergeben hat, kann man auf den 160 Schienenkilometern der Metropole folgendes beobachten: Morgens hat jede Linie ihren ganz eigenen, mikrobiellen Fingerabdruck, bis zum Abend hat sich das vermischt und man kann die U-Bahn-Linien nicht mehr an-hand der dort gefundenen Bakterien unterscheiden. Das wurde mit Hilfe von Probanden ermittelt, die dafür viel unterwegs waren und noch mehr Haltegriffe und -stangen angefasst haben. Was­ hat­ man ­gefunden? ­In ­erster­ Linie harmlose Hautbewohner, aber auch pathogene Erreger waren dabei – und natürlich auch multiresistente. Was aber ist ­für­ mich­ das­ Interessante daran? ­Am ­nächsten Morgen ging offenbar alles wieder von vorne los. Erneut hatte jede Linie ihr eigenes Muster. In der Zwischenzeit muss also etwas passiert sein. Im Zweifelsfalle eine Reinigung.

Wechseln wir das Land. Wir sind im-mer noch auf der Schiene unterwegs, diesmal aber in Deutschland, mit der Deutschen Bahn. Wie wir im Internet lesen konnten, herrscht bei der Bahntochtergesellschaft DB Services derzeit großer Unmut, weil die ICE-Fernzüge viel seltener grundgereinigt werden sollen. Nach Angaben der Bahn handelt es sich vorerst zwar nur um ein Pilotprojekt, die Mitarbeiter sind dennoch höchst beunruhigt. Nicht nur, weil ihre Jobs auf dem Spiel stehen. Man kann von einer nochmaligen Streckung der Grundreinigung von sechs auf zehn Wochen lesen und dass die Züge dann derart verschmutzt seien, dass sie kaum noch gründlich gereinigt werden können. Laut Betriebsrat der Service-Sparte müssten Kunden in Zukunft in Kauf nehmen, dass die Scheiben beispielsweise voll mit fettigen Fingerabdrücken seien.

Sieht es wirklich so schlimm aus, oder ­besteht ­noch Hoffnung?­ Schauen­ wir nach Berlin. In der Hauptstadt, eben noch­ dem­ Fettfinger-Inferno­ der­ Deutschen Bahn entkommen, steigen wir auf dem Hauptbahnhof in die S-Bahn um. Auch hier prangt das DB-Logo auf den Zügen, aber es geht offenbar so sauber zu wie in einem Krankenhaus. Das­ beruhigt,­ oder?­ Jährlich­ wendet die S-Bahn Berlin nach eigenen Angaben neun Millionen Euro für die Sauberkeit in den 1.300 S-Bahn-Wagen auf, können wir im Internet lesen. Zusätzlich gebe das Unternehmen eine Milli-on Euro zur regelmäßigen Instandsetzung von „Komfortschäden“ in den S-B ahn-Abteilen aus. Während des ­laufenden­ Betriebes­ findet­ die­ Grobreinigung der rot-gelben Züge an den Endstationen statt. Auf ausgewählten Strecken fahren Reinigungskräfte mit, die liegengebliebene Kaffeebecher, Verpackungsmüll und sonstigen Abfall entsorgen. Klasse. Klingt interessant. Mal nachrechnen. Neun Millionen für 1.300 Wagons, macht pro Wagon 6.923,– € jährlich bzw. 576,92 € monatlich. Wenn man jetzt mal eine Milchmädchenrechnung aufmacht und da-von ausgeht, dass diese Kosten reine Personalkosten wären, dann kommt man­ bei­ einem­ Tariflohn­ (West)­ von­9,55 € auf 60 Stunden monatlich bzw. 2 Stunden täglich, die für die Reinigung eines Wagens veranschlagt werden können. Wie uns das Internet auch verrät, haben die Wagen der aktuellen Baureihe­ 481­ eine­ Grundfläche­ von­56 m², das macht also eine Reinigungsleistung von 28 m² die Stunde. Wow.

Da fallen mir unwillkürlich die Vergleichszahlen aus deutschen Krankenhäusern ein. Berufskrankheit. Es gibt natürlich eine Spanne von bis, aber gehen Sie mal von einer Leistung von 180 m²/h für ein Patientenzimmer aus, von 98 m²/h für Sanitärräume, 74 m²/h für Intensivzimmer und 63 m²/h für den OP. Wie gesagt, es ist eine Milchmädchenrechnung, auch wenn man allenthalben hört, dass die Personal-kosten immer den größten Kostenblock ausmachen. Der Fairness halber legen wir also eine Schippe drauf und rechnen der Bahn noch mal die Hälfte an Kosten für Putzmittel, Managergehälter etc. an. Was aber sagt mir jetzt mein Ergebnis?­ Ist­ es ­in ­der­ Bahn sauber, ­dass man dort operieren kann, oder haben wir in deutschen Krankenhäusern ein ernsthaftes Problem mit der Reinigung?­ Ich­ bekomme­ es­ jedenfalls­ zu­Hause nicht hin, mein 10 m² großes Badezimmer in 8 Minuten zu putzen, und für mein Wohnzimmer brauche ich auch deutlich länger als 6 Minuten. Fragen Sie mal einen Reinigungsdienstleister, wie er das schafft, dann bekommen Sie hinter vorgehaltener Hand zu hören, dass man im Krankenhaus das Geld nicht damit verdiene, was man reinige, sondern damit, was man weg-lasse. Zum Glück steht hier eine neue DIN-Norm kurz vor der Veröffentlichung. Alles wird gut. Hoffentlich.

Wir reisen weiter, mit der S-Bahn vom Bahnhof Friedrichstraße zum Bundestag. Dort führt uns der Weg auf die Reichstagskuppel, und weil die Blase so kneift, auch auf die Besuchertoilette des Reichstags, hoch über den Dächern der Stadt und dem Plenarsaal. Ich registriere unbeschriftete Flaschen, die offenbar einen Reiniger enthalten, und allerhand weitere Putzutensilien, die auf dem Waschtisch herumstehen und hier nichts verloren haben. Ich kann da nie wegsehen. Berufskrankheit. Aber auch Positives gibt es zu entdecken: Offenbar arbeitet man hier, wie im Krankenhaus auch, mit einem Mehrfarbsystem bei den Reinigungstüchern. Rot für die WCs, gelb und grün für den Rest. Unschön nur, dass alle Tücher über der Heizung getrocknet werden oder andernorts sinn frei im Raum verteilt sind. Kurz hatte ich es vergessen: Ich bin ja gar nicht im Krankenhaus, sondern im Bundestag. Da muss man Abstriche machen. Oder lieber nicht. Aber mal ehrlich: Reden wir hier über ein ernstes Hygieneproblem, oder allenfalls darüber, welchen Eindruck das auf die internationalen Besucher machen­ dürfte?

Für die Weiterfahrt geht es mit ei-nem Mietwagen auf die Autobahn. Die Fensterscheiben sind sauber, keine Spur ­von­ Fettfingern.­ Wenn wir­ unterwegs mal eine Pipipause machen müssen, dann können wir einen der Hygiene-Tempel auf der Autobahnraststätte ansteuern. Was hier passiert, ist laut dem Werbespot der Betreibergesellschaft „reine Magie“. Betätigt man nämlich nach dem großen Geschäft die kontakt-lose WC-Spülung, fährt mit einem mechanischen Geräusch eine Reinigungsvorrichtung aus dem Spülkasten, die Toilettenbrille setzt sich wie von Geisterhand in Bewegung und beginnt zu kreisen. Dabei verteilt ein Schwamm eine­ Flüssigkeit­ (und­ alles,­ was­ sich sonst­ so ­auf der ­Klobrille­ befindet)­ auf ­der ­Brille­ und­ soll ­diese­ damit ­desinfizieren­.­ Was­ aber­ tatsächlich passiert, ist eigentlich nur, dass die Bakterien Karussell fahren und spätestens nach ein paar Runden die gesamte Brille­ flächendeckend­ mit­ dem­ kontaminiert ist, was besser nie darauf gelangt wäre. Und der Schwamm ist vermutlich selbstreinigend, oder wie darf ich mir­ das­ vorstellen?

Bevor wir nach der langen Reise im Hotel einchecken, schnell noch beim Supermarkt angehalten. Was sehen wir zu unserer Freude: Hygiene wird hier großgeschrieben. An den Haltegriffen der Einkaufswagen ist ein sogenannter „Hygieneschlitten“ montiert. Hierbei handelt es sich um eine kleine Kunststoffhülse aus zwei Hälften, in der sich zwei ­Einlagen ­befinden,­ die­ mit­ einem Desinfektionsfluid­ und­ einem Stück Filz ­gefüllt sind. Laut Herstellerangaben saugt sich dieses alle 20 bis 30 Minuten mit der Flüssigkeit voll und verteilt sie dann auf dem Griff des Einkaufswagens. Großartig. Erinnert mich an die magischen Momente auf der Auto-bahn-Toilette. Und wie wir in Zeitungsberichten über dieses Wunder-Toy lesen können: „Ganz egal, ob Kinder oder Erwachsene: Alle spielen mit dem Ring herum“. Dies soll dazu führen, dass die Bakterien auf dem Griff abgetötet wer-den. Angenommen, das würde funktionieren, kann der hysterische Mensch also den Einkaufswagen an einem frisch­ desinfizierten­ Griff­ durch­ die ­Regalreihen manövrieren. Vorausgesetzt, er ist so mutig und fasst zuvor den versifften Hygieneschlitten an. Was geradezu an ein Perpetuum mobile erinnert, ist zudem die Tatsache, dass in dem etwas mehr als handbreiten Schlitten Desinfektionsmittel für ein Jahr gespeichert werden kann. Ein wahres Wunder.­ Wieso­ verkauft­ der­ Erfinder ­sei­n Patent­ nicht ­an ­die­ Autoindustrie?­Dann würde das Erdöl noch für 1.000 Jahre reichen!

Weshalb fällt mir bei solch genialen Gimmicks wie der selbstreinigenden Toilette und dem Hygieneschlitten bloß immer der Apotheker aus Marburg ein, der in den 90er Jahren in seinem Schaufenster unter dem Titel „Scheiß des Monats – Präparate, die wir Ihnen nicht empfehlen können“ immer wirkungslose und überteuerte Produkte ausgestellt­ hat?­ Diesen­ Mann­ gab­ es ­wirklich, Hut ab. Lesen Sie es nach!

Das war ein anstrengender Reisetag. Wir erholen uns bei einem Bier an der Hotelbar. Hätte ich doch bloß nicht die Zeitung aufgeschlagen, die in der Lobby lag, dann wüsste ich jetzt auch nichts von den Ergebnissen des Hessischen Landeslabors aus der Beprobung von Schankanlagen. Fast die Hälfte aller getesteten Biere war verkeimt, von insgesamt 87 Proben frisch gezapfter Biere­ wurden­ 37­ (42,5­%)­ wegen­ coli-former Keime beanstandet. Bei zwei Bierproben war auch Escherichia coli nachweisbar. Zum Glück schmeckt man das nicht raus. Und was ist mit den Gratis-Nüsschen, die in einem Schälchen auf dem Tresen zum Knabbern einladen?­ Sie­ sind ­umsonst,­ deshalb­ dürfen­ wir sie doch nicht einfach stehen las-sen! Oder sollten wir sie besser nicht anrühren?­ Eine­ schnelle­ Internetrecherche ergibt: „Auf Erdnüssen, Pistazien & Co., die in Schälchen in Bars angeboten ­werden,­ befinden­ sich­ Spure ­von Urin von bis zu 27 verschiedenen Personen.“ Schreibt jedenfalls die bereits erwähnte Boulevardzeitung. Und die werden es wohl wissen. Dass es stimmen muss, ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass es auch viele, viele andere schreiben. Immer wieder taucht dabei die magische Zahl 27 auf. Woher­ wissen­ die­ das­ so­ genau?­ Wie­der britische TV-Produzent John Hardress Winfred Lloyd und der Wissenschafts-Journalist John Mitchinson he-rausgefunden haben, lassen sich diese „Fakten“ auf eine gemeinsame Quelle zurückführen: Johnny Depp gab die Story 2005 in einer großen US-Talkshow zum Besten. Okay, es gibt also keine Studie darüber. Aber so ganz falsch liegt Herr Depp nicht. Als der London-Evening-Standard 2003 in sechs Pubs Stichproben der Snacks untersuchen ließ, wurden in vier davon Enterobakterien gefunden. Wie kommen die Bakterien­ in­ die­ Nussschüsseln?­ So,­wie fast alle Bakterien von A nach B reisen. Über die Hände. Im Jahr 2000 befragte die Amerikanische Gesellschaft für Mikrobiologie 1.000 Personen nach ihren Waschgewohnheiten nach WC-Benutzung. 95 % der US-Bürger gaben an, dass sie ihre Hände da-nach IMMER waschen würden. Die mit Kameras dokumentierte Realität sah anders aus: es waren nur 58 %. Die Franzosen machen es da nicht viel anders, nur machen sie keinen Hehl dar-aus. Über die Hälfte der Befragten gab unumwunden zu, sich nie die Hände zu waschen, nachdem sie die Toilette auf-gesucht haben. Das Erstaunlichste: es waren 56 % der Männer und 66 % der Frauen. Wer hätte das gedacht. Aber hätten Sie gewusst, dass man nach 5-sekündigem Händewaschen – egal ob mit oder ohne Seife – in anschließend durchgeführten Abklatschuntersuchungen im Vergleich praktisch kaum einen Unterschied ­feststellen­ kann? ­Die­ Keime sind in beiden Fällen nur minimal weniger geworden. Wussten Sie übrigens, dass Coli-Bakterien es schaffen, 18 Lagen Toilettenpapier zu durch dringen?­ Das ­ist ­von­ Prof.­ Martin ­Wolff­an­der Universität Witten Herdecke experimentell bewiesen worden. So viele Lagen bilden ein verdammt dickes Pa-ket, und ich glaube, niemand benutzt derart viel Papier. Ist ja auch unhandlich. Daher sollte man sich, wenn es hygienisch darauf ankommt, die Hände nach­dem Stuhlgang ­desinfizieren. ­Zumindest dann, wenn man danach eine Operation durchführen oder einen Wundverband anlegen will. Dabei sollte man darauf achten, dass mehr Händedesinfektionsmittel auf die Hände gelangt, als die automatischen Händedesinfektionsspender auf den Autobahnraststätten abgeben. Die Hände müssen schon richtig nass sein, denn sonst handelt es sich einmal mehr um Pseudo-Hygiene.

Okay. Also kein Bier, keine Nüsse. Sicher ist sicher, lieber Wasser trinken. Deutsches Trinkwasser gehört zu den am besten überwachten Lebensmitteln überhaupt. Wenn man es in Ruhe lässt. Verfällt man im Hygienewahn allerdings dem Irrglauben, dass die Qualität mit­ einem­ Haushalts-Trinkwasserfilter­ zu verbessern sei, dann züchtet man dabei Bakterien in einer Anzahl, dass von Trinkwasserqualität nicht mehr die Rede sein kann. Sie vermehren sich munter im Filtermaterial, die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung wer-den locker um das x-fache überschritten.

Mal ganz ehrlich, diese Hygiene- Facts sind alle ganz nett zu lesen, aber lassen Sie uns doch endlich auf die tat-sächlichen Probleme schauen. Jetzt wird‘s wirklich Ernst. Bleiben wir beim Wasser, aber zunächst nicht beim Trink-, sondern beim Abwasser. Während beispielsweise Autowaschanlagen über eigene Kläranlagen verfügen, suchen wir diese in Krankenhäusern vergeblich. Sie könnten aber in absehbarer Zeit ­zur­ Pflicht­werden, wie­ ganz­ aktuell die ersten Ergebnisse des HyReKa- Projekts nahelegen. In der groß angelegten Studie wurden Abwässer aus dem Klinikbereich bzw. von Klinikbeeinflussten­ städtischen­ Abwässern­ mit kommunalen Abwässern aus ländlich geprägten Einzugsgebieten verglichen. Gesucht wurde nach Antibiotikaresistenten Bakterien, Antibiotika-Resistenzen und Antibiotika-Rückständen. Man fand eine qualitativ höhere Belastung der­ Klinik beeinflussten städtischen­ Abwässer mit Gram-negativen Erregern, die gegen 4 Antibiotikagruppen ein-schließlich Carbapenemen und z. T. Colistin resistent sind. Der Anteil von 4MRGN an allen getesteten Gram-negativen Isolaten in urbanen Abwässern inkl. Kliniken betrug 28,4 %, sogar 9,7 % wiesen eine zusätzliche Colistin-Resistenz auf. Bei den Gewässer- und Abwasserisolaten aus einem ländlichen Fließgewässereinzugsgebiet waren dies nur 0,4 % bzw. 0,18 %.

In­ den­ heutigen­ Kläranlagen­ findet ­zwar eine Reduktion der kulturell nachweisbaren resistenten Bakterien im Zuge der Abwasserbehandlung statt, aber nur um rund 2–3 Log-Stufen. Es verbleiben jedoch noch Antibiotika- resistente Mikroorganismen, die eindrücklich den Handlungsbedarf hin-sichtlich der notwendigen Intervention bei Kläranlagen belegen, so die Ergebnisse der Studie. Die Resistenzgene gelangen ­in ­großem ­Maß ­in­ die­ Vorfluter­ und in die Umwelt. Womit wir dann wieder beim Trinkwasser wären, das vielerorts aus Flüssen gewonnen wird. Wir bekommen die Antibiotika also frei Haus, rezeptfrei obendrein. Durch geeignete Aufbereitungsverfahren wäre das vermeidbar. Erschreckend ist, dass bereits vor über 20 Jahren bekannt war, dass ca. 83 % der Bakterien in Klär-anlagen eine Resistenz gegen mindestens ein Antibiotikum aufwies.

Und was haben wir dagegen unternommen?­Geforscht.­ Studien­ sind gut,­ aber es müssen auch Taten folgen. Eine Membranfiltration ­und­ Ozonierung ­des ­Abwassers ist auch gut, aber warum in Dreiteufelsnamen ist es in Deutschland nicht möglich, das Übel endlich bei der Wurzel­ zu ­packen?­ Wir ­doktern ­immer­ nur an den Wirkungen herum, anstatt das Pferd von vorne aufzuzäumen. Wir nehmen es in Kauf, mit multiresistenten Bakterien kolonisierte Patienten für viel Geld zu screenen, zu isolieren und von Kopf bis Fuß mit antibakteriellen Lösungen zu schrubben und unser Abwasser hochtechnisiert aufbereiten zu müssen, um die antibiotische Belastung zu senken, aber zu einem rationellen und verantwortungsbewussten Um-gang mit Antibiotika sind wir offenbar nicht in der Lage. Zu groß sind die Pro-fite­ und­ Interessen­ der­ Pharmaindustrie, zu träge und bequem ist der Verbraucher.

Ich würde mir wünschen, mehr über diese wirklichen Probleme zu hören. Noch viel mehr würde ich mir Meldungen darüber wünschen, dass man die Lösung dieser realen Probleme angegangen ist. Schöne Nachrichten wären zum Beispiel diese:

Berlin: Das Gesundheitsministerium veröffentlichte heute eine gemeinsame Presseerklärung mit dem Landwirtschaftsministerium und dem Verbraucherschutzministerium. Es wurde mit-geteilt, dass seit der Einführung restriktiver Verordnungsbeschränkungen für Antibiotika sowohl im human- als auch im veterinärmedizinischen Be-reich die Zahl der mit multiresistenten Antibiotika­ belasteten­ Geflügelproben ­im deutschen Einzelhandel von über 50 % auf 2 % zurückgegangen ist. Seit der Einführung der 4. Filterstufe in Kläranlagen und der Nachrüstung von Kläranlagen in Krankenhäusern sind auch im Trinkwasser keine Spuren von Antibiotika mehr nachweisbar. Die höheren Kosten für Fleisch und Trinkwasser wurden von der Bevölkerung über-wiegend akzeptiert.

München: Eine Umfrage des NaBu hat ergeben: Das Motto der Deutschen lautet jetzt „Halt weniger, aber halt gut“. Bremen: Neuer Hauptsponsor des SV Werder Bremen ist der Biohof Kaemena im idyllischen Bremer Blockland. Dazu ex-Werder-Manager Willi Lemke: „Ausnahmsweise halten wir es da ganz mit den Bayern: „Halt weniger, aber halt gut.“ Der bisherige Sponsor, ein Geflügel Großmastbetrieb,­ hatte­ aufgrund fehlender Nachfrage die Produktion eingestellt.

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